29.01.2019

… und gut, dass 2000 Schluss war. Frankfurt in den 80er Jahren und was sich seitdem in der Club-Kultur verändert hat. Gäste auf dem Weg von der Leidenschaft zum Konsum und DJs auf dem Rückweg vom Zeremonienmeister zum Dienstleister.


KOLUMNE VON RAPHAEL KRICKOW 

im Journal Frankfurt LIVE! 

Nr. 01-2019, 01.-17.01.2019


Vielen ist das Verschwinden eines wichtigen Teils der Club-Kultur in den letzten 30 Jahren vermutlich kaum aufgefallen. Der Teil, in dem all jenes entstand, was heute selbstverständlich im Radio läuft, auf elektronischen Megafestivals stattfindet, bei Spotify zu streamen und auf jeder Smartphone-Playlist zu finden ist.


Nachdem in Düsseldorf in den 70er Jahren durch Pioniere wie NEU!, La Düsseldorf, Kraftwerk, D.A.F. oder Liaisons Dangereuses die Vorstufe elektronischer Club-Musik entwickelt wurde, schlug sich das in den 80ern in einer einzigartigen Club-Kultur vor allem in Frankfurt und Umgebung nieder. Es entstand Tallas Techno Club, man ging ins Vogue, Plastik, Construction 5, Aoxomoxoa, Omen und natürlich schon Anfang der 80er ins Dorian Gray. Aber was es später nie wieder so gab, war das exklusive Ereignis, was man nur an diesen Orten in diesen Nächten erlebte. Es war nicht kopier- oder teilbar, und um etwas Ähnliches zu erleben, musste man wieder dort hingehen – wenn man denn reinkam. Die Mischung aus Ambiente, Licht, dem teilweise sehr speziellen Publikum und vor allem der nie gehörten Musik, machte dieses Lebensgefühl aus. Es gab keine CD-Compilations mit Clubmusik und man musste schon Export-Maxi-Singles in DJ-Recordstores zum Stückpreis von über DM 20,- kaufen, um diese Musik selbst zu besitzen. Abgrenzung zum Mainstream war die kreative Triebkraft und es entstand eine Community, die so nur innerhalb der Clubs lebendig war.


Das änderte sich, als schon Mitte der 80er durch den Verkauf von Cassetten-Mitschnitten der DJs dieser exklusive Inhalt an Orte exportiert wurde, wo er eigentlich nicht hinpasste; nach Hause, auf den Rummelplatz oder in Jeans-Shops, wo später auch tagsüber DJs Club-Musik auflegten. Dann kam die Digitalisierung, das Internet und die Social Media Plattformen. Alles war immer und überall inflationär verfügbar. Nur leider konnte man die Stimmung, das Lebensgefühl und die Kreativität nicht exportieren. Parallel wurde der DJ zum Popstar und man folgte eher ihm, als einem guten Club-Konzept. Heute besuchen 100.000 Menschen ein Musikfestival, wo die gesamte Musik mit den gleichen Mitteln produziert, vertrieben und „live“ präsentiert wird. Natürlich ist der Mix auf der Mainstage im Normalfall vorproduziert und einer gigantische Lightshow angepasst. Es geht um spektakuläre Unterhaltung mit maximal vielen Gleichgesinnten, die alle die gleichen Klamotten und Frisuren haben. Und wichtiger noch als die eigene physische Präsenz, ist das multimediale Mitteilen der Tatsache, dass man hier ist. Konsum und Bestätigung statt Leidenschaft. Eine Club-Kultur nach damaligen Maßstäben gibt es heute nicht mehr, da dort nichts mehr einzigartig ist.


Der Staus Quo und der Verrat dieser Subkultur wird schon lange von vielen bemängelt, aber es ist der normale Verlauf vergänglicher Inhalte und Kulturen. Vielleicht will man das nur nicht wahrhaben, auch wenn wir uns musikalisch seit Punk in einer fortwährenden Retromanie befinden.


In diesen Tagen hätte es das Dorian Gray 40 Jahre gegeben. Gut aber, dass der Club diese Entwicklung nach seiner Schließung im Jahr 2000 nicht mehr miterleben muss. Auch wenn es im Ursprungskonzept 1978 eher um Celebraties auf Playboy- und Formel 1 Partys wie im New Yorker Studio 54 ging. Das, was zwischen 1983 und 1993 im großen Club stattfand, wurde erst durch ungeplante Faktoren möglich. Diese Frankfurter Dekade hat die darauffolgende Berliner Techno-Kultur in den 90ern maßgeblich mitbestimmt.


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